Interview mit Matthias Waehren, Givaudan

Matthias Waehren war von 2005 bis Ende 2016 CFO von Givaudan und betreut nun noch verschiedene strategische Spezialprojekte. Vorher war er für Roche im Finanzbereich in Führungspositionen in verschiedenen Ländern tätig.

 

Während seiner Zeit als CFO bei Givaudan hat Givaudan eine Grosstransaktion und in letzter Zeit auch vermehrt kleinere Akquisitionen (d.h. im zweistelligen oder tieferen dreistelligen Millionenbereich) realisiert. Givaudan ist der führende Industriekonsolidator im Bereich Flavors and Fragrances („F&F“)

Jürg Kurmann M&A: Welche Erfolgsfaktoren im M&A wurden für Sie mit zunehmender Erfahrung signifikant wichtiger?

 

Da gibt es mehrere, was insbesondere auch damit zusammenhängt, dass wir in verschiedenen Weltgegenden und in allen Grössenordnungen Akquisitionen getätigt haben. Für mich haben folgende Erfolgsfaktoren eine zentrale Bedeutung gewonnen:

  1. Am Anfang jedes Akquisitionsprojektes, d.h. bevor man überhaupt Ressourcen in ein Akquisitionsprojekt steckt, muss die Akquisitionsrationale absolut klar sein. Wir haben dies in Form einer ausformulierten Pressemitteilung (wie sie dann bei Closing aussehen könnte) auf maximal einer Seite dargestellt. Diese muss - das war zwingende Vorgabe unseres CEO’s – klar aufzeigen können, was der Mehrwert für die Investoren und was der Nutzen für die Kunden der beiden Firmen aus der Transaktion wäre. Dabei ging es natürlich nicht um eine Vorbereitung der Pressemitteilung an sich, sondern um die Disziplin, sich nur mit Projekten zu beschäftigen, die völlig eindeutig entsprechende Wertbeiträge versprachen.
  2. Entscheidungsschnelligkeit ist ein Schlüsseldifferentiator, um erfolgreich zu akquirieren, sei es in einem kompetitiven Bietverfahren oder sei es in einer Einzelverhandlung, um die Öffnung des Prozesses zu verhindern. Dazu ist es von Vorteil mit einem kleinen Team und mit möglichst internen Ressourcen zu arbeiten. Wir hatten z.B. keine M&A-Abteilung, die Koordination von Akquisitionsprojekten oblag dem Group Controller während die übrigen Aufgaben von jeweils projektspezifisch bezeichneten Führungskräften aus den Geschäftsbereichen wahrgenommen wurden. Da diese jeweils regelmässig auch bezüglich unserer M&A-Prozesse geschult wurden, bildeten die bezeichneten Personen sofort ein effizientes schlagkräftiges Team.
  3. Bei Transaktionen mit Eigentümerunternehmern ist selten nur der Preis allein entscheidend, sehr wichtig sind auch Vertrauensaufbau und Wertschätzung. Es ist etwas ganz anderes, wenn der Verwaltungsratspräsident oder CEO des Kaufinteressenten von Zeit zu Zeit mit dem Eigentümer des Targets persönlich Kontakt nimmt und vielleicht auch mal im privaten Rahmen mit ihm essen geht, als wenn dieser es nur mit einer Grosszahl von Beratern und unteren Chargen zu tun bekommt. Bei solchen Unternehmen ist insbesondere auch der Fokus auf das Wesentliche im Due Diligence Prozess kritisch, weil kleine Firmen nur limitierte Resourcen zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung haben.
  4. Prozessdisziplin über alle Phasen, insbesondere auch bei der Integration ist entscheidend. Dabei darf man auch bei kleineren Transaktionen keine Abstriche machen. Ein Kaufvertrag ist immer ein Kaufvertrag, der stets der gleichen Sorgfalt bedarf.
  5. Als grosser bekannter Käufer waren wir es gewohnt, Akquisitionsobjekte von Investmentbanken und Beratern angeboten zu bekommen. Nachdem die grösste Marktkonsolidierung jedoch durch war, stellten wir fest, dass diese Intermediäre im uns zunehmend interessierenden Bereich von kleineren Nischenplayern kaum Kenntnisse hatten und realisierten, dass wir mit unseren eigenen Leuten an der Front viel besser positioniert waren, „versteckte Edelsteine“ von kleineren, innovativen Firmen aufzuspüren. Wir haben in der Folge systematisch mit Erfolg eigene Leute aus der Routineorganisation auch mit Scoutingaufgaben betraut. Entsprechend ist für ein nachhaltiges Füllen der Pipeline wichtig, die relevanten Frontleute regelmässig mit den Akquisitionskriterien zu briefen und sie für diese Aufgabe zu motivieren.

 

Jürg Kurmann M&A: Welches war Ihr überraschendster oder lehrreichster Vorfall in einem M&A-Projekt?

 

Für mich der beeindruckendste Vorgang war, dass wir es geschafft hatten, eine Grosstransaktion zu tätigen, wofür aufgrund spezieller Umstände nur ein extrem kurzes Zeitfenster zur Verfügung stand, was jedoch auch eine grosse Chance war. Dafür, dass wir das schafften, waren insbesondere folgende Faktoren massgeblich:

  • extreme kurze Entscheidungswege in einem völlig eingespielten und sich vertrauenden Führungsteam, in dem jeder sich auf seine spezifische Aspekte konzentrieren konnte;
  • wir waren es von je her gewohnt, die „Arbeit selbst zu mit eigenen Ressourcen zu machen“, d.h. mit einem Minimum an externen Beratern zu arbeiten und konnten auch in diesem Fall das uns vertraute Geschäft gut beurteilen;
  • als wichtigen Player in unserem Geschäft hatten wir das Target ständig auch operativ „unter Beobachtung“ und waren somit zum gegebenen Zeitpunkt für die Beurteilung gut vorbereitet.

 

Jürg Kurmann M&A: Welche Entwicklung im M&A erwarten Sie in den nächsten 1-2 Jahren?

 

Mit ca. 70% Marktanteil der Top-5 ist der FF (Flavors & Fragrances) Markt nun schon stark konsolidiert. Es gibt jedoch noch immer eine sehr grosse Zahl von innovativen kleineren Firmen welche als Targets für ein anhaltend hohes Niveau an M&A-Aktivität sorgen werden. Zudem dehnen die grösseren Marktplayers aufgrund des bereits erreichten hohen Marktanteils im angestammten Bereich ihre Tätigkeit über Akquisitionen in angrenzende Bereiche aus, wie z.B. Givaudan mit Active Cosmetic Ingredients in der Riechstoffdivision und mit Integrated Solutions in der Aromendivision.

 

Aufgrund der sehr hohen gegenwärtigen Multiples, die abgesehen von Sondersituattionen kaum mehr steigen können, ist der Zeitpunkt auch für Firmeneigentümer für einen Verkauf attraktiv.

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